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Dienstag, 14. Mai 2013

Eine achte Strategie zum Entwickeln neuer Storyplots

Als Ergänzung der sieben Strategien zur Entwicklung neuer Storyplots sei noch auf die Möglichkeit hingewiesen, Geschichten aus kleinen Schreibaufgaben abzuleiten, die man in der Regel dazu benutzt, um technische Handgriffe einzuüben. Diese Aufgaben sind so gestaltet, daß man sie beliebig oft mit jeweils völlig unterschiedlichen Ergebnissen wiederholen kann.

Der interessante Effekt dieser Schreibübungen ist, daß die Geschichten, die sich hinter den Szenen verbergen, fast nebenher entstehen, denn die Aufmerksamkeit ist zunächst vor allem auf die formalen Aspekte gerichtet. Wenn die Aufgabe bewältigt ist, hat man nahezu aus dem Nichts eine oder mehrere Figuren geschaffen, einen Konflikt, einen Schauplatz, eine Stimmung und bestenfalls einen größeren Zusammenhang oder einen angedeuteten Hintergrund - auf jeden Fall viel Potenzial.

Solche Fragmente treiben fast von selbst Wurzeln in ihre eigene Vorgeschichte und verlangen nach einer Fortsetzung, einer Entwicklung des angedeuteten Konflikts.

 Hier einige Beispiele:

1.
Inhaltliche Vorgabe: Ein Streit zwischen zwei Liebenden
Formale Vorgabe: Dialog mit jeweils fünf Äußerungen pro Dialogpartner. Die noch bestehende Liebe soll nur indirekt gezeigt werden! Sätze wie "Aber du weißt doch, daß ich dich trotzdem liebe." sind verboten

2.
Inhaltliche Vorgabe: Eine Figur und ihr innerer Konflikt sollen eingeführt werden
Formale Vorgabe: Dazu soll ausschließlich eine Beschreibung ihres Wohnumfeldes genutzt werden!

3.
Inhaltliche Vorgabe: Eine Figur kommt nach einer Reise/einem Ereignis an einen Ort, an dem sie etwas Ungewöhnliches vorfindet und sieht sich zu einer Aktion genötigt.
Formale Vorgabe: Es sollen unterschiedliche Textarten benutzt werden.Die Reise/das Ereignis: narrative Zusammenfassung; der Ort: Beschreibung; die Aktion: akute Handlung

4.
Inhaltliche Vorgabe: Eine Figur wohnt einer Beerdigung bei und erinnert sich dabei an ein Ereignis in der Kindheit, das die Beerdigung in einen besonderen Bedeutungszusammenhang rückt.
Formale Vorgabe: Die narrative Gegenwart soll im Präteritum geschrieben werden, die Rückblenden hingegen im Präsenz

5.
Inhaltliche Vorgabe: Eine Figur wartet an einem öffentlichen Ort auf eine andere Figur
Formale Vorgabe: Die Figur, der Ort, die Umstände, das Warum und das Auf-Wen sollen nur durch indirekte Trigger geklärt werden!
Wenn z.B. eine Frau in einer überhitzen Imbißbude wartet, sollte man nur darauf verweisen, daß sie sich den Schweiß mit einer dünnen Papierserviettte von der Stirn tupft und sie auf die halb aufgegessene Currywurst wirft. Danach ein nervöser Blick auf das Smartphone...

6.
Inhaltliche Vorgabe: Eine Konfrontation von zwei Widersachern
Formale Vorgabe: Der eigentliche Konflikt darf nicht angesprochen, die Konfrontation soll verdeckt geführt werden, z.B. in Form eines stellvertetenden Konflikts oder doppelbödigen Bemerkungen.
Als Beispiel sei ein klassischer Witz mit verdecktem Konflikt erwähnt, der zwar sehr überspitzt, aber deutlich zeigt, wie diese Technik funktioniert:
Zwei Männer, die sich bereits in ihrer Schulzeit nicht leiden konnten treffen sich am Bahnhof, der eine General, der andere Kardinal. Der Geistliche spricht den Soldaten an: "Können sie mir sagen, wann der nächste Zug nach Köln fährt, Herr Schaffner?"
Der General entgegnet: "In ihrem Zustand sollten sie nicht reisen, meine Dame."

7.
Inhaltliche Vorgabe: Die Charakterisierung einer Figur, die eine unerwartete Wandlung durchgemacht hat.
Formale Vorgabe: Der Leser soll alle Informationen über die Figur, ihre Vorgeschichte, ihre Wandlung und deren mutmaßliche Ursache ausschließlich dem Gespräch zweier Bekannter der betreffenden Figur entnehmen.



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